RWH schrieb:Du unterstellst nämlich, dass Impfen definitiv die Risiken senkt. Ich frage: ist das tatsächlich so? Und in welchem Maße?
Welche potentiellen Risiken sind mit dem Impfen verbunden? Damit meine ich nicht nur die direkten Impfschäden (deren Statistik aufgrund des miserablen Meldeverhaltens äußerst dürftig ist), sondern auch die möglicherweise damit verbundenen mittel- und längerfristigen Folgen wie z.B. Entwicklung von Allergien aufgrund der Inhaltsstoffe oder schlechterer Immunkompetenz aufgrund geringerer Auseinandersetzung mit Erregern.
Das gehört in die Rechnung mit rein. Und dann muss man sehen, für welche Impfungen sich das Risiko sozusagen lohnt. Und da gibts sicher Unterschiede.
Wenn ich als Waldarbeiter quasi täglich mit einer Zecke nach Hause komme, könnte eine FSME-Impfung für mich sinnvoll sein. Wenn ich selten oder nie von Zecken befallen werde, dann ist dieser Sinn aber fraglich. (Insbesondere, da eine Impfung auch keinen sicheren Schutz bietet).
Du hast das Thema Masern angesprochen. Soweit ich mit errinnere gab es da ein der seltenen Studien zum Vergleich Geimpfter und Ungeimpfter, die von Anthropologen durchgeführt wurde. Ich kann sie raussuchen, wenn es für Dich wichtig ist, aber soweit ich mich erinnere sankt die Zahl der Masernerkrankten um 50% im Vergleich zu den Ungeimpften, dafür aber stieg die Zahl der Tuberkuloseerkrankungen um etwa den gleichen Faktor. Teufel oder Beelzebub?
Ja, ich unterstelle, dass der Nutzen überwiegt. Was ich anschauliches zu den Masern auf die Schnelle gefunden habe, ist dieses Diagramm aus dem Wikipedia, welches recht eindrücklich den Effekt der Einführung der Masernimpfung auf die Erkrankungshäufigkeit in den USA zeigt:
File:Measles US 1944-2007 inset.png - Wikipedia, the free encyclopedia (darunter sind die Quellen angegeben). Den Zusammenhang mit einer höheren Tuberkuloseinzidenz höre ich von dir zum ersten Mal, aber ich lass mich gern belehren, wenn du das irgendwie belegen kannst. Ferner: Woher hast du das mit der Immunkompetenz? Kannst du auch das belegen?
Was FSME angeht, nun eben weil nicht jeder exponiert ist, ist FSME eben gerade eine klassische Indikationsimpfung, z.B. für Waldarbeiter, die man aber nicht jedem wahllos andreht.
Weiter unten schreibst du:
RWH schrieb:Schon mal daran gedacht, dass sich biologische Organismen immer in der Auseinandersetzung mit ihrer jeweiligen Umwelt entwickeln? Anders gesagt, Kinderkrankheiten trainieren den kindlichen Organismus. Außerdem - im Gegensatz zu einer Impfung - hinterlassen sie in der Regel lebenslange Immunität. Eine Impfung - z.B. gegen Masern - muss aufgefrischt werden, sonst verschiebt sich der Beginn der Erkrankung ins Jugend- oder Erwachsenenalter, wo die Komplikationsrate deutlich ansteigt. Wer also als Kind gegen Masern geimpft wurde, sollte sich in regelmäßigen Abständen nachimpfen lassen, sonst riskiert er einen deutlich heftigeren Krankheitsverlauf.
Das ist EINES der Probleme mit dem Impfen. Viele Erwachsene sehen die Auffrischung als unnötig an, weil Masern ja eine "Kinderkrankheit" sind.
Und was trainieren Kinderkrankheiten deiner Meinung nach?
Also gerade Masern sind ein denkbar schlechtes Beispiel für das was du beschreibst. MMRV ist ein Lebenimpfstoff mit ausgezeichneter Immunogenität. Normalerweise reicht eine Impfung. Die wird nach dem 1. Lebensjahr durchgeführt und sorgt bei den allermeisten für eine ausreichende Immunkompetenz, lebenslang. Zur Sicherheit gibt man eine zweite Dosis nach einem Jahr, was die Rate an Respondern nochmal etwas erhöht. Würdest du dich impfen lassen, dann würdest du vielleicht wissen, dass dir niemand mehr im Erwachsenenalter eine MMRV-Impfung andreht, weil das bei erfolgter Immunisierung nicht mehr notwendig ist.
Was du beschreibst trifft auf viele Totimpfstoffe zu. Dies hat den Grund, dass eine tatsächliche Infektion eine deutlich stärkere und längere Exposition mit Erregerbestandteilen nach sich zieht, das Immunsystem folglich stärker reagiert. Allerdings ziehe ich es vor mir alle 10 Jahre eine Spritze geben zu lassen, als tatsächlich wegen einer banalen Verletzung Tetanus zu bekommen. Denn das ist kein Vergnügen.
Deinen letzten Satz oben finde ich recht interessant, denn er stimmt. Hier ist das Problem aber nicht die Impfung, sondern die Leute, die nicht verstehen, warum eine "Kinderkrankheit" eben eine "Kinderkrankheit" ist.
RWH schrieb:Das ist die Grundidee. So hat das Immunsystem quasi einen zeitlichen Vorsprung und kommt schneller in die Gänge. Leider macht die Notwendigkeit, einen Impfstoff zu entschärfen und ihn applizierbar zu machen, einige Kompromisse notwendig.[...]
Die Impfung lässt quasi den ersten Teil der Abwehrreaktionen aus.
Welcher Impfstoff? Da gibt's ja ein paar verschiedene, viele stimulieren v.a. humoral, manche, wie MMR auch zellulär. Aber welchen Nachteil hat es denn deiner Meinung nach, wenn nur eine humorale Antwort stattfindet?
Susanne23 schrieb:Ich möchte aber nicht unerwähnt lassen,dass bei der letzten Masernepedemie mehrere der geimpften Kinder hier bei uns im Krankenhaus waren, erstens, weil sie trotz Impfung die Masern hatten und zweitens mit Komplikationen. Also ist die Impfung nicht der optimale Schutz. So denke ich, dass in diesem Gesundheitsbereich für die Prävention neben der Impfung auch noch andere Dinge gefördert werden sollten.
Nur hat man über die geimpften Kinder mit schweren Komplikationen nichtsgelesen. Also waren die ungeimpften wieder die, die an allem schuld waren. Und zu welcher Meinung die Eltern der geimpften Kinder gekommen sind, muss ich hier nicht erwähnen. Sie hielten ihre Kinder nämlich für geschützt.
Ok, das nehme ich so hin, weil es stimmt. Dazu aber mal ein Gedankenspiel: Masern haben einen Kontagionsindex von etwa 95% und einen Manifestationsindex von ca. 98%. So, nehmen wir jetzt eine Schule mit 1000 Kindern, in der niemand immun ist und die recht klein ist, so dass sich alle Kinder mehr oder weniger zufällig über den Weg laufen. Da Masern bereits vor dem Exanthem ansteckend sind, fällt erstmal gar nicht auf, wenn ein erkranktes Kind in die Schule kommt. Nimmt man die Maßzahlen oben, dann erkranken von den 1000 Kindern etwa 930. Davon bekommen etwa 90 eine Mittelohrentzündung, etwa 65 bekommen eine Pneumonie, etwa ein Kind eine Encephalitis und etwa ein Kind stirbt.
Die MMR-Impfung schützt davor nicht 100%, erreicht aber einen etwa 99%igen Schutz nach 2facher Vakzinierung, wie gesagt lebenslang. D.h. sind alle 1000 Kinder in dem Beispiel geimpft erkranken trotzdem etwa 10 und ein bis zwei Kinder haben Komplikationen, trotz Impfung. Aber dass es da einen Unterschied in der Größenordnung gibt, ist vielleicht deutlich geworden.
til schrieb:Was ich noch viel gruseliger finde: Dass ohne jede Risikoabwägung, ohne schädliche Nebenwirkungen auch nur in Betracht zu ziehen, ohne Betrachtung des individuellen Krankheitsrisikos, Stoffe verabreicht werden, deren genauen Wirkmechanismus niemand kennt, deren Nebenwirkungen niemand auch nur ahnen kann; dies alles um einen Effekt zu erreichen, dessen Existenz niemand nachweisen kann. Wenn Beobachtungen, die nicht zur eigenen Philosophie passen, ignoriert oder heruntergespielt werden.
Ok, das ist wieder der übliche Verschwörungskram, dagegen anzudiskutieren ist leider müßig, daher nur eine Anmerkung: Es ist sehr gut verstanden, wie eine Impfung funktioniert. Auch das Immunsystem ist verstanden. Ebenfalls ist gut nachvollziehbar, dass Ende des 19. Jahrhunderts die Leute im Schnitt knapp 50 wurden und überwiegend an Infektionskrankheiten zu grunde gingen, während sie heute knapp 80 werden und am Krebs oder ihrer Herzinsuffizienz sterben. Irgendwas wird bei der Infektionsprophylaxe und -behandlung also offensichtlich bis heute im Vergleich zu keiner Therapie früher richtig gemacht.
Das Problem ist doch vor allem: Heute weiß niemand mehr wie Pocken, Diphtherie und Tetanus aussehen, daher hat keiner mehr Angst davor, die Pocken gelten sogar als ausgerottet. Dass das aber ein Verdienst der Impfungen ist, wird dann von den Gegnern unterschlagen.