Hallo Rudlof,
ich wollte Dir eigentlich schon am Mittwoch antworten, hatte aber keine Zeit und gestern wurde ich durch ein anderes Thema in Anspruch genommen. Ich antworte auch noch mal in diesem Thread, da der Organspendethread sich ja in einen Blutspendethread verwandelt hat.
Vorausschicken möchte ich aber noch, dass es mir um die Widerspruchslösung geht, die ich falsch finde. Wenn sich jedoch jemand aus freien Stücken für eine Organspende bei lebendigem Leibe entscheidet (Hirntod ist nicht Tod) zu dem sage ich alle Kraft zu Dir. Allerdings darf keiner zu einer solchen Entscheidung aus zweckdienlichen Mitteln gezwungen werden was die Widerspruchsregelung wäre (das soll nach einem Gesetzentwurf ja schon bei 16-jährigen! geschehen).
Das ist letztlich eine Frage des Standpunktes, wessen Wohl man höher einstuft. Das kannst Du in vielen Bereichen finden. Beispiel: Die Behandlung eines Krebspatienten kostet ca. 20. - 30.000 EUR pro Jahr. Für das Geld könnte man vielen anderen Menschen mit andere Erkrankungen helfen. Soll man daher dem Krebspatienten die Behandlung verweigern? Auch dafür gibt es keine "richtige" Antwort - nur eine Antwort aus der jeweiligen Standortshaltung: Wäre ich ein Krebskranker, dann würde ich anders antworten, als jemand, der eine andere Krankheit hat, für die kein Geld da ist.
Was wir heute "Umverteilung" nennen würden, galt in anderen Zeiten als Raub. Wie eigen ist das Eigentum und wie sehr bin ich der Allgemeinheit verpflichtet, auch etwas von dem eigenen abzugeben.
Hinter der Organspende steckt die gleiche Grundüberlegung: Da ist einer, der braucht was - und dort ist einer, der hat was, was er aber (wahrscheinlich) nicht mehr braucht.
Spontan ist mir bei dabei Star Trek in den Sinn gekommen, genauer gesagt Commander Leonard Nimoy alias Spook und William Shatner alias Captain Kirk. Dort wurde das Thema gleich in 2 Kinofilmen in angenehmer Atmosphäre aufgegriffen. In der Folge „Der Zorn des Khan“ – das Thema: Das Wohl der Vielen wiegt schwerer als das Wohl des Einen, in der Spook sich freiwillig opfert und in der Folge „Auf der Suche nach Mr. Spock“ das Thema: Das Wohl des einen wiegt mehr als das Wohl der Vielen in der Kirk seine Crew und sein Schiff opfert.
Ich hatte einen vergnüglichen Abend bei Wein, Männe und…vielen Dank, dafür
Das Thema ist natürlich eines das auch seit Urzeiten diskutiert wird, auch in der Bibel und wahrscheinlich auch in anderen Büchern.
Vor gar nicht all zu langer Zeit musste das Thema auch wieder mal gerichtlich geklärt werden und zwar in dem Fall ob es erlaubt sein darf, ein entführtes, mit Passagieren voll besetztes Flugzeug abzuschießen, um andere Leben zu retten. Ich bin sehr froh dass ich diese Entscheidung nicht treffen musste und gleichzeitig darüber, das das in unserer zvilisierten Welt nicht gemacht werden darf. Immehin wird das Verfassungsgericht bemüht und nicht das Amtsgericht in Achtern Sand.
Auszüge aus der Urteilsbegründung:
1. Die Abwägungslösung
Es liegt nahe, eine den Abschuss rechtfertigende These darauf
zu stützen, dass die Zahl der im World Trade Center zu
rettenden Personen die der im Flugzeug Getöteten weit überwiegt
und dass außerdem für das Leben der Passagiere nur
noch eine kurze Zeitspanne verblieben wäre, während die
durch den Abschuss Geretteten eine normale Lebensdauer
hätten erwarten können.
Wer solchen Lösungen nähertreten will, muss sich allerdings
darüber klar sein, dass er sich im strikten Widerspruch
zu einer längst vor dem Luftsicherheitsgesetz etablierten
Rechtsprechung setzt. Das BVerfG28 hat nicht erst in dem uns
beschäftigenden Fall, sondern schon vor Jahrzehnten gesagt:
„Die pauschale Abwägung von Leben gegen Leben [...] ist
nicht vereinbar mit der Verpflichtung zum individuellen
Schutz jedes konkreten Lebens [...]. Der Schutz des einzelnen
Lebens darf nicht deswegen aufgegeben werden, weil das an
sich achtenswerte Ziel verfolgt wird, andere Leben zu retten.
Jedes menschliche Leben [...] ist als solches gleich wertvoll
und kann deshalb keiner irgendwie gearteten unterschiedlichen
Bewertung oder gar zahlenmäßigen Abwägung unterworfen
werden.“ Auch der BGH29 hat – anlässlich des sog.
Katzenkönigs-Falles – die Opferung eines Menschen selbst
zur Rettung von Millionen anderer nicht als Rechtfertigungsgrund
anerkannt.
Man könnte die staatliche Tötung der Flugpassagiere also
nur dann mit Hilfe von Abwägungen rechtfertigen, wenn
man, wie
Dreier30 mit Recht sagt, „das Wertungsmodell der
etablierten Strafrechtsdogmatik [...] grundsätzlich neu justieren“
würde. Ich will versuchen zu zeigen, dass dafür kein
hinreichender Anlass besteht.
Wer den ganzen Artikel lesen möchte:
http://www.zis-online.com/dat/artikel/2011_6_591.pdf
So und jetzt gehts ab in die Praxis für ein paar Stündchen
LG MM