Hallo AndreaH, ich studiere chinesische Medizin im 3ten Jahr bei der AGTCM. Entsprechend bin ich kein Vollprofi um dich ausführlich in Augenerkrankungen zu informieren jedoch möchte ich versuchen Dir ein paar eventuell hilfreiche Ansatzpunkte für deine Recherche zu geben.
Du schreibst, dass Augenerkrankungen im Zusammenhang mit der Leber stünden. Das ist nur bedingt korrekt.
Augenerkrankungen werden in der chinesischen Medizin (CM) nicht vollständig der Leber zugeordnet. Es wird zwar als Sinnesorgan der Leber zugeordnet (Kapitel 5 "Suwen" des Gelben Kaisers - Huangdi Neijing Suwen) und wird durch das Leber-Blut- und yin genährt (Zang-Fu-Theorie). Jedoch gibt es in der CM mehrer diagnostische Konzepte welche entsprechend Augenerkrankungen unterschiedlich bewerten.
ZB ist einerseits die Iris der Leber zugeordnet, die Pupille und damit das eigentliche Sehen jedoch der Niere und der Blase zugeordnet, die Skleren wiederum dem Qi und der Lunge zugeordnet und entsprechend die unterschiedlichen Augenerkrankungen. (Wobei man hier auch wiederum zwischen den unterschiedlichen diagnostischen Konzepten differenzieren muss.)
Bei der Heterophorie - also latentes Schielen - ist die Augenmuskulatur betroffen. Ich weiß jetzt nicht ob eine Heterophorie ebenso wie Strabismus angeboren sein kann. Wäre die Heterophorie angeboren wäre die Ursache nach CM eine Nieren-Essenz-Schwäche. (Als Ursache könnten jedoch auch später erworbene pathogene Restfaktoren in Frage kommen, die müssten dann in der biografischen Anamnese erforscht werden.)
Wäre die Heterophorie erworben, dann könnte eine Milz (Magen) Pathologie in Betracht kommen, da die Milz nach der CM die Muskeln ernährt.
Da es sich jedoch auch um eine Gleichgewichtsstörung der Augenmuskulatur handelt, würde ich persönlich den Patienten zusätzlich auf eine konstitutionellen Nieren-Pathologie hin untersuchen, da auch ein Ungleichgewicht zwischen dem Nieren-Yin und dem Nieren-Yang ursächlich sein könnte. (Das ist jetzt jedoch keine Lehrbuch-Meinung, sondern meine eigne Schlussfolgerung.)
(In Ausnahmefällen könnte nach der Leitbahndiagnose - je nachdem in welcher Richtung die Sehachse abweicht - eventuell auch eine Pathologie der inneren Äste der Dünndarm-Haupleitbahn in Frage kommen.)
In der CM würde man einen Patienten mit einer Heterophorie auf alle diese Möglichkeiten hin untersuchen und entsprechen der Anamnese individuell eine Diagnose erstellen.
Wie Du erkennen kannst, ist die Zuordnung der einzelnen westlichen Pathologien nicht so einfach auf die Diagnostik der CM zu übertragen, in der Art und Weise wie wir es aus der westlichen Schulmedizin her gewohnt sind.
Recherchemöglichkeiten zu Augenerkrankungen in der CM wären:
Julian Scott der Fachmann für Augenerkrankunge in der CM:
http://www.eyebright.me.uk/?page=2 welchen Du eventuell für weitere Recherchen kontaktieren könntest. In seinem Werk "Acupuncture in the Treatment of Eyes" steht meiner Erinnerung nach nur etwas zu Strabismus den er auf einen Nieren-Essenz-Mangel hin diagnostiziert. Ich habe sein Buch leider nicht hier, aber ich meine mich zu erinnern, dass er speziell zu Heterophorie nichts geschrieben hat. (???) Vielleicht, wenn Du ihm eine Mail schreiben würdest, könnte er Dir eventuell weiter helfen.
Ansonsten könntest Du noch eine Anfrage wegen weiteren Quellen im Forum der AGTCM einstellen:
http://www.agtcm.de/patienten/forum/4_oeffentlicher-bereich/index.htm Frau Silja Thiemann welche im Auftrag der AGTCM Anfragen beantwortet ist ausgesprochen kompetent. Da Du an einer Studie arbeitest könnte die Möglichkeit bestehen, dass Du über die AGTCM kompetentere Ansprechpartner in CM kontaktieren kannst, welche Dir bei Deiner Studie ausführlicher helfen können. Die AGTCM arbeitet auch international in Kooperation mit Fachleuten der CM.
Was Deine Anfrage hinsichtlich der wissenschaftlichen Begründbarkeit betrifft, möchte ich noch anmerken, dass in China die CM ein geschlossenes medizinisch-wissenschaftliches System darstellt und als solches auch wissenschaftlich anerkannt ist.
Jedoch im Westen nicht im Sinne der heutigen westlich-wissenschaftlichen Schulmedizin. Wir haben als TCM`ler im Westen keine Pharmalobbie im Rücken mit der wir großangelegte Studien durchführen können. Was nicht unbedingt ein Nachteil darstellt.
(Wobei die westliche Schulmedizin auch ähnlich der chinesischen Medizin vor der Industrialisierung durch die Pharmaindustrie, der chinesischen Medizin sehr ähnliche Anschauungen und Erkenntnisse hatte im Hinblick auf Elementenlehre, ganzheitliches Menschenbild, Phytotherapie und Diagnostik.) In diesem Sinne musst Du für Dich selbst überprüfen in wiefern Quellen der CM Deine Ansprüche an wissenschaftlicher Bergründbarkeit erfüllen.
Ich hoffe ich konnte Dir in Ansätzen ein wenig weiter helfen.
Viele Grüße und viel Erfolg bei Deiner Studie,
Ioanna