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Traumanalyse: Dem Burnout auf der Spur

Dietmar Schlau

Mitglied
Heilpraktiker
Ort
Schwarzwald
Therapien
Gesprächstherapie (Rogers), Traumtherapie, Integrierte Kurzzeittherapie (Dr. Friedmann)
Status
HPP
"Ich rannte und rannte, aber ich kam nicht von der Stelle!"

Sie kennen solche Träume von Ihren Patienten? Oder von Ihnen selbst?
Dann haben Sie ein Fenster, um in die Seele zu schauen, denn die "Sprache der Träume" ist entschlüsselt. Wer sie beherrscht, besitzt das Werkzeug um seelische und psychosoziale Zusammenhänge zu erkennen.

HPP und Traumforscher Dietmar Schlau erklärt Ihnen wie Sie mit Traumanalyse Ihren Patienten helfen können und was Träume uns über Burnout und Depression verraten.


Ist ein Knochen gebrochen liefert uns ein Röntgenapparat Informationen über das verletzte Körperteil. Aber wie erhalten wir Informationen über eine verletzte Seele? Wir behelfen uns mit Standardtests, zum Beispiel mit der Assoziation zu Tintenklecksen:
„Was sehen Sie auf diesem Bild?“
„Eine Frau mit großen Brüsten.“
„Und auf diesem Bild?“
„Eine Frau mit kleinen Brüsten.“
Natürlich ist dieser Dialog aus dem Katastrophenfilm Armageddon persifliert, aber er zeigt uns, dass ein „bildgebendes Verfahren für die Seele“ von hohem Nutzen wäre.
Und genau das hat die Natur bereits erfunden - unsere Träume. Sie liefern uns aussagekräftige Bilder direkt von der Seele. Und nicht nur Standfotos, sondern auch Filme. Damit können wir nicht nur den aktuellen psychischen Status einschätzen, sondern sogar seelische Prozesse verfolgen und begleiten. Zudem erlauben Träume einen Blick auf innere Wahrheiten des Klienten, auf seine Abwehr- und Bewältigungsstrategien und - ganz wichtig - auf seine seelischen Ressourcen.

Traumsymbole folgen Regeln

Wollen Sie Traumanalyse als diagnostisches und therapeutisches Verfahren einsetzen, so erheben Sie als verantwortungsvoller Therapeut zu Recht den Anspruch, dass Traumsymbole wissenschaftlich beweisbar sein müssen.
Dieser Beweis ist möglich. Mehr noch, es zeigt sich sogar, dass Traumsymbole festen Regeln folgen – es gibt ein "dahinter liegendes Prinzip". Somit wird Traumanalyse zum erlernbaren Handwerk, fernab jeder persönlichen Interpretation und subjektivem Richtigkeitsgefühl - weder vom Träumer noch vom Traumanalysten.

Traumtypen

Bevor ich Ihnen den Beweis liefere, wollen wir uns die Arbeit etwas erleichtern. Dem Laien erscheinen Träume meist als ein wildes Durcheinander, ohne Struktur und inneren Zusammenhang. Um uns von Ballast zu befreien, sondern wir deshalb zuerst die Träume aus, die wenig diagnostische oder therapeutische Relevanz besitzen.
Wir kennen drei Traumtypen. Ich meine nicht Brad Pitt, George Clooney und Justin Timberlake, sondern:
1) den Verarbeitungstraum
2) den Freud’schen Traum
3) den Jung’schen Traum

(Der Vollständigkeit halber sei noch der Klartraum oder luzider Traum erwähnt. Er ist jedoch zu wenig erforscht, als dass ich ihn mit ruhigem Gewissen therapeutisch nutzen würde.)

Der Verarbeitungs-Traum. In ihm verarbeitet die Psyche emotionale Ereignisse der vergangenen Tage, wie etwa der Tritt in den Hundehaufen oder den Streit mit dem unverschämten Raucher im Fahrstuhl.
Im Traum bekommt der Luftverpester seinen Tritt in den Hintern, und so kann die Psyche auf strafrechtlich unbedenkliche Weise ihre Rachegelüste befriedigen.
Verarbeitungsträume treten meist zu Beginn der Nacht auf. Als sicheres Kennzeichen besitzen sie die Eigenschaft, dass nur realistische Elemente vorkommen - keine fliegenden Häuser, keine sprechenden Schlangen. Dieser Traumtyp zeigt keine tief greifenden seelischen Elemente wie beispielsweise Wertvorstellungen, Ängste, Ressourcen etc., sondern dient der seelischen Entladung. Deshalb ist er - obwohl bisweilen von hohem Unterhaltungswert - für die therapeutische Arbeit von geringerer Relevanz.

Der Freud'sche Traum - endlich geht es um Sex. Nach Sigmund Freud sind - grob vereinfacht natürlich - unsere Triebe der Antrieb für das seelische Geschehen. Allen voran der Sexualtrieb. Ist in einer Gesellschaft die Sexualität tabuisiert, wird ein Spannungsfeld generiert: Körper und Seele verlangen laut ihrem Bauplan nach Sexualität - das durch die gesellschaftliche Moral geprägte Gewissen aber verbietet oder verteufelt sie. Es ist in Freuds Terminologie der klassische Konflikt zwischen dem ES und den ÜBER-ICH. Die Psyche muss diesen Konflikt lösen, sie muss also einerseits Sexualität leben, andererseits darf sie die Moral nicht verletzen - ein schlechtes Gewissen ist nun mal ein guter Lustkiller. Die Traumpsyche löst diesen verklemmten Knoten trickreich: sie verschlüsselt die sexuellen Elemente. Und so wurden in der Freud'schen Traumdeutung alle Objekte die länger sind als breit als Phallus interpretiert und alle die irgendwo eine Vertiefung haben als Vagina. Wenn Rotkäppchen längliche Pilze in einen Korb steckte hatte die Psyche ihren Geschlechtsakt - ohne Verletzung des Gewissens, denn es wurde ja nur eine (moralisch einwandfreie) Nahrungssuche gezeigt.
Der Freud'sche Traum ist für die therapeutische Arbeit ebenfalls von geringer Relevanz, denn - er scheint ausgestorben zu sein. Schon lange hat mir kein Klient mehr berichtet, er habe im Traum einen Schlüssel in ein Schlüsselloch gesteckt.

Wir müssen uns also nur noch um den Jung’schen Traum kümmern. Dieser Typ tritt mit großem Abstand am häufigsten auf. Namenspatron war C. G. Jung, er entdeckte das kollektive Unbewusste. Das ist ein Seelenkomplex, in dem sich Erinnerungen der gesamten Menschheit ( - nicht des Einzelnen - ) befinden. Die Erinnerungen reichen weit in die Vergangenheit, mindestens zurück bis in die Steinzeit. Wie diese Inhalte ins kollektive Unbewusste gelangen ist ungeklärt. Fakt ist aber, dass es sich in jedem Menschen nachweisen lässt: Ob Sie’s glauben oder nicht - Sie können sich an Geschichten erinnern, die sich Steinzeitjäger vor 30.000 Jahren erzählten.
Der Jung’sche Traum bezieht seine Symbolik aus dem kollektiven Unbewussten, und da es gelungen ist dessen Inhalt zu ergründen, verstehen wir die Aussage der Träume. Selbst ein unbekanntes Traumsymbol wird enträtselt, wenn man es mit dem Weltbild eines Zeitzeugen längst vergangener Kulturen betrachtet. So können wir nebenbei auch noch die Gültigkeit der Traumsprache beweisen, denn unsere Vorfahren haben Spuren hinterlassen, die wir lesen können.
Sollten Sie bei den kommenden Zeilen den Eindruck haben, wir entfernen uns weit von Burn-out & Co. - folgen Sie mir bitte dennoch in die Steinzeit. Sie werden sehen, die Fäden laufen wieder zusammen.

Die Seele formt die Gesellschaften

Unser seelisches Geschehen bestimmt nicht nur unsere Träume, hauptsächlich bestimmt es unser Gefühl, unser Denken und unser Verhalten. Und damit zwingt es der gesellschaftlichen Entwicklung eine Richtung auf – Gewissensinhalte manifestieren sich in Religionen, Wertesysteme werden zu Gesetzestexten, Bedürfnisse gestalten Wirtschaftssysteme, Ängste, Aggression, Machtstreben etc. entladen sich in Kriegen.
Wenn wir die kulturelle Entwicklung von der Steinzeit bis heute nachvollziehen, erkennen wir die treibende Kraft, die unsere Zivilisation, unser Leben und unsere Träume gestaltet. (Der aufmerksame Leser wird hier bereits psychosoziale Elemente bezüglich Burn-out bemerken.)

Hier also in aller Kürze die Weltbilder unserer Vorfahren: Da während der Steinzeit die Eiszeit einsetzte, wurde das (Über-) Leben zu einem Kampf. Vegetation war das Wichtigste, denn sie war Nahrung. Die Fruchtbarkeit der Erde war ein lebenswichtiges Wunder. Dann eine Beobachtung: Wenn man Samen in die Erde steckt wird sie fruchtbar, wenn man eine Frau besamt, wird auch sie fruchtbar. Was denkt der kluge Steinzeitmensch also: Die Erde muss eine Frau sein! Steinzeitlogik. Sowohl Erde als auch Frau können neues Leben in ihrem Körper wachsen lassen und mit dem eigenen Körper Nahrung erzeugen (Bei den Frauen Muttermilch.) Das war die Geburtsstunde der Muttergottheiten, Fruchtbarkeit und alles was damit zusammenhängt (Körper, Menstruation, Sex etc.) wurden hoch verehrt. Hunderte von Venusfiguren zeugen davon. So wie wir heute ein Kruzifix über den Esstisch hängen, so haben unsere Vorfahren ihre Gottheit auch gegenständlich dargestellt. Hunderte von Venusfiguren zeugen davon. Hier die Venus von Willendorf:

Venus-von-Willendorf.jpg


Abb.1 Venus von Willendorf,
ca. 25.000 Jahre alt, Kalkstein.
Foto: Wikimedia Commons.


Beobachtungen gepaart mit seelischen Funktionen (wie z. B. Fähigkeit zu Projektion, Fähigkeit Todesangst zu empfinden, Fähigkeit an etwas zu glauben) erzeugte ein Weltbild, das wir heute Matriarchat nennen. Weibliche, körperliche, und natürliche Eigenschaften bildeten das Werte- und Bezugssystem. Die Erde wurde als reales Wesen wahrgenommen, und Frauen wurden als Göttinnen verehrt. Was waren das doch für herrliche Zeiten, meine Damen!

Mordende Mutter

Die Muttergöttin schien wohlwollend zu sein, denn sie schenkte Nahrung und sicherte so das Überleben. Das ging einige tausend Jahre gut, doch dann verlor die Göttin ihr sauberes Image - die gute Mutter mordete!
Wieder formten einfache Beobachtungen das Weltbild: Sowohl die Frauen als auch die Natur unterlagen Zyklen, die etwas mit der Fruchtbarkeit zu tun hatten. Bei der Erde war es der sich wiederholende Wechsel der Jahreszeiten: Die Göttin sorgte also nicht nur für eine Zeit der Fruchtbarkeit, sondern auch für eine Zeit des Hungers, der Kälte und des Todes. Und weiter: die Erdgöttin wohnte unten, denn alles was wuchs, hatte unten seinen Ursprung. Aber auch alles was starb fiel nach unten – die Blätter im Herbst, die abgestorbenen Pflanzen, tote Menschen und Tiere. Heute wissen wir natürlich, dass hinter diesen Phänomenen die geneigte Erdachse und die Gravitation stecken, aber im Weltverständnis des Matriarchates bedeutete es, dass die Mutter ihre Kinder zurückholte. Lagen die dann auf der Erde wurden sie - durch Kompostierung, Verwesung und Würmer - zurück in den Leib der Mutter aufgenommen. Die Muttergöttin war also auch für das Sterben verantwortlich, hinter Geburt und Tod wirkte die gleiche (weibliche) Kraft.

Dem Tod entkommen

Sein ganzes Leben lang den Tod vor Augen zu haben ist dem Seelenfrieden nicht zuträglich, das gängige Weltbild erzeugte psychische Spannungen.
Folgerichtig etablierte sich im Laufe der nächsten Jahrtausende ein Weltverständnis, mit dem man dem Tod (in Senso jedenfalls) entkommen konnte. Die Natur - und damit leider auch reale Frauen - wurden als todbringend verteufelt. Der vorläufige Endpunkt dieser Entwicklung sind unsere Hochreligionen, ihr gemeinsames Merkmal ist die Überwindung der Natur und damit der Sterblichkeit. Ihre Botschaft ist verlockend: Glaub‘ an die Natur und du wirst sterben – aber verleugne die Natur, und du kannst ewig leben! Im Himmel (der natürlich oben ist). Unsterblichkeit ist auch das Wahlversprechen des in unserem Kulturkreis gängigen christlichen Gottes.
Der gefühlte Gegenpol des Matriarchates war also das Patriarchat. Weiblichen, natürlichen und körperlichen Attributen und Werten wurde abgeschworen, heilbringend war das geistig-rationale Weltverständnis. Die neuen Gewissensinhalte trieben Blüten, natürliche Körperfunktionen wurden verteufelt, Hexen (vornehmlich weibliche) wurden verbrannt, der Zölibat wurde erfunden. Nichtnatürliche Eigenschaften standen und stehen hoch im Kurs: Disziplin, Körperbeherrschung, Wachstum, Leistung, Karriere, Reichtum, gesellschaftlicher Status etc.
Diese Entwicklung ist der Hintergrund für unsere Leistungs- und Wissensgesellschaft und für das gesellschaftliche Ungleichgewicht zwischen Mann und Frau. Wie sehr unser heutiges Leben mit diesem Werdegang verwoben ist zeigt ein Treppenwitz der Geschichte: Weil die Erdachse geneigt ist, bekommen heute Frauen für gleiche Arbeit weniger Lohn.

Traumsymbole zeigen Persönlichkeitsanteile des Träumers

Der besseren Lesbarkeit halber führe ich zwei Abkürzungen ein: „M“ steht für matriarchale Aspekte, „P“ für Patriarchale. M steht damit für Fruchtbarkeit, emotionale Wärme, Geborgenheit, Liebe, Körperlichkeit, Leidenschaft, Lust, Sex, Urwüchsigkeit, Intuition, Heilung. Aber auch für Sterblichkeit, Chaos, Wildheit, Blut, Schweiß und Tränen.
P beschreibt die patriarchale Gedanken- und Wertewelt. Beispielsweise Abkehr von der Natur, Vernunft, Ratio, Abstraktes, Regeln, Ordnung, Disziplin, Streben nach Höherem, Karriere, Macht, Sünde, Verzicht. Aber auch für Unsterblichkeit, Erlösung, Seligkeit und Ordnung.

Die Seeleninhalte des P/M-Entwicklungsprozesses finden wir im kollektiven Unbewussten.
Dass dies keine abgehobene theoretische Spielerei ist, sondern dass die kollektive Psyche ganz konkret unser Leben und unsere Träume beeinflusst verdeutlicht folgendes Beispiel:

Ein häufiges Traumbild ist: "Ich gehe nach Westen".
Die Ausrichtung nach Himmelsrichtungen zieht sich durch die gesamte Menschheitsgeschichte:
Kultstätten (Stonehenge, Newgrange, Pyramiden etc.) sind nach Ost-West ausgerichtet. In fast allen urzeitlichen Gräbern sind die Leichen in Ost-West-Richtung bestattet. In kulturbildenden Überlieferungen - z. B. dem Gilgamesch-Epos - spielt Ost-West eine zentrale Rolle. "Ost-West" hat sogar entscheidend unsere heutige Gesellschaftsform mitgestaltet, denn in den Hochreligionen ist Ost-West von Bedeutung. (Nehmen Sie einen Kompass, dann sehen Sie selbst: Sogar unsere heutigen Kirchengebäude sind fast alle nach Ost-West ausgerichtet.)

Wenn die Himmelsrichtung seit zwanzigtausend Jahren die Menschen beeinflusst, wenn ganze Völker Jahrzehnte lang schuften um (nach den Himmelsrichtungen ausgerichtete) Pyramiden zu bauen - dann dürfen wir annehmen, dass "Ost-West" eine bestimmende seelische Größe ist.
Anhand archäologischer Funde kann man nun nachweisen, dass "West" die seelische Heimat des M-Potentials ist. (Das hat u. A. mit dem kollektiven Erleben des Sonnenuntergangs und der Dunkelheit zu tun.)

Im Traum zeigen die Symbole Persönlichkeitsanteile des Träumers wie beispielsweise Problembereiche und Defizite, aber auch Ressourcen und Strategien.
Wenn nun ein Mensch träumt, er gehe nach Westen, kann man daraus schließen, dass sich seine seelischen Prioritäten in Richtung "Natürlichkeit" verlagern, der Träumer hat M-Ressourcen und M-Potenzial. Damit kann er den Kräfte raubenden P-Anforderungen entgegentreten.

Warum, zur Hölle, ist der Himmel oben?

Alle kollektiven Traumsymbole fügen sich nahtlos in das P/M-Schema ein.
Fliegen“ beispielsweise und der Gegenspieler „fallen“ (Sie wissen schon, die Sterblichkeit ist unten.) Vögel sind demnach P, denn sie können nach oben der totbringenden Natur entkommen. (In den Himmel, das Domizil der Unsterblichkeit.) Die Schlange hingegen hat nicht einmal Beine, sie schmiegt sich mit dem Körper an die Erdgöttin.
P/M-Symbole durchziehen nicht nur unsere Träume, auch in der stofflichen Welt sind sie vertreten. Die Schlange - das M-Symbol schlechthin - spielt nicht nur in Harry Potter eine entscheidende Rolle, sondern besonders im Christentum - sie hat uns in die Sterblichkeit zurückgetrieben. (Mit Hilfe eine Frau. Natürlich.) Und das mächtigste Instrument der P-Gesellschaft – die Dollarnote – zeigt einen Adler, der eine Schlange besiegt.

Natur contra Leistungsgesellschaft

Laut unserem genetischen Bauplan sind wir Naturwesen – wir haben einen Körper und unterliegen natürlichen Prozessen und Bedürfnissen. Mit dieser Ausstattung müssen wir aber in einer Gesellschaftsform bestehen, die dieser Natürlichkeit entgegen steht.
Wir haben Inhalte (und benötigen Resourcen) für beide seelischen Pole: Wir müssen einerseits unsere Natürlichkeit ausleben dürfen, damit wir nicht seelisch und körperlich verkümmern, andererseits müssen wir leistungsbereit, diszipliniert, fleißig etc. sein, damit wir gesellschaftlich nicht abstürzen. Was sich wie eine Binsenweisheit anhört, bestimmt heute maßgeblich unser seelisches Geschehen. Ein alltägliches Beispiel: M (=natürlich) wäre, wenn wir schlafen dürften bis der Körper ausgeschlafen hat – P (=gesellschaftskonform) ist es, wenn wir uns vom Wecker sagen lassen (müssen) wann wir aufstehen.
Der P/M-Konflikt unserer Psyche ist das Schlachtfeld, auf dem jung’sche Träume angesiedelt sind. Denn seelisch befinden wir uns immer im Spannungsfeld zwischen "dem was wir wollen" und "dem was wir müssen." Wir wollen, weil wir einen Körper, Gefühle und Bedürfnisse haben. Weil wir aus der Natur hervorgegangen sind, und unser genetischer Bauplan eben eine bestimmte Natürlichkeit verlangt. (Damit Körper und Seele am Leben bleiben.)
Wir müssen, weil die Leistungsgesellschaft Anforderungen an uns stellt. Und unser Gewissen, weil es uns mit einem "schlechten Gewissen" bestrafen kann, wenn wir nicht unseren (von den Gesellschaftsregeln erzeugten) inneren Antreibern gerecht werden.

Die ausbrennende Gesellschaft

Dieses gesellschaftliche Umfeld ist ein psychosozialer Faktor für Burnout. Er ist so alltäglich, dass wir ihn nicht wahrnehmen. Die Ausrichtung der Gesellschaft auf Wachstum und Leistung hat ein unnatürliches Wertesystem in uns installiert. Eine ungünstige Kulturentwicklung hat in uns die trügerische seelische Wahrheit etabliert, dass wir unsterblich sind, wenn wir die Bodenhaftung aufgeben. Wir müssen diesen „Wahrheiten“ gerecht werden. Nicht so sehr weil Chef und Pfarrer es fordern, sondern weil wir unsere äußere Welt so einrichten, dass sie mit unseren inneren Wahrheiten deckungsgleich ist. Wir müssen das tun, sonst fühlt sich die Welt falsch an. Da wir aber als Naturwesen mit dem Matriarchat verschränkt sind, sind wir für diese Aufgabe nicht konstruiert.
Deshalb überfordern wir uns und brennen aus.

Ein Praxisbeispiel

Klient 48 Jahre, klagt über ungeklärte Müdigkeit und Erschöpfung. Hausärztliche Untersuchung OB, er kam zu mir, um Entspannungsübungen durchzuführen. Er berichtete folgenden Traum:

Fahre mit meinem Auto auf einer neuen, schnurgeraden Straße durch ein Hochhausgebiet. Plötzlich führt die Straße zwischen Feldern hindurch und wird kurvig und schlechter; sie besteht nur noch aus Steinplatten, dann nur noch aus Matsch und Lehm. Das stört mich aber nicht, es macht sogar Spaß, wie der Wagen rutscht und schlittert. Dann aber fliege ich aus einer Kurve, ein Polizist sagt: „Siehste!“

Beim Träumer nachgefragt: Er fuhr Richtung Abendsonne, also nach Westen.

Natürlich wusste auch dieser (selbstständige) Klient, dass er beruflich kürzer treten sollte. Aber selten hat die bloße Erkenntnis dieser Weisheit die Situation verbessert. Solange die seelischen Wertmaßstäbe P-orientiert sind, wird jeder Versuch sich beruflich zu entlasten mit einem schlechten Gewissen bestraft und somit scheitern. Erst wenn die seelische Umgebung es erlaubt ohne schlechtes Gefühl einen guten Auftrag abzulehnen oder eine Beförderung auszuschlagen, ist die Gefahr des Burn-out gebannt. An dem vorgestellten Traum können wir ablesen, dass der Klient auf einem guten Weg war, diese Fähigkeit zu erlangen.

Woran sehen wir das? Die kollektive Traumpsyche weist „Ost“ als die seelische Heimat des patriarchalen Wertesystems aus, während „West“ der Hort des Wertesystems einer natürlichen Lebensweise ist.
Die seelische Umgebung ist anfangs im Osten also in den P-Werten. Die Hochhäuser sind (sowohl im Traum als auch real) typische Merkmale unserer patriarchalen Ordnung. (In Hochhäusern lebt man "oben".)

Doch der seelische Standpunkt gerät in Bewegung: Der Klient fährt nach Westen. Uns Traumanalysten zeigt dies eine Verlagerung in Richtung M-Fähigkeiten und M-Lebenseinstellung. Folgerichtig führt die Straße durch Felder ("Lebens"-Mittel) und ist auch zunehmend aus Naturmaterialien – nur im Patriarchat gibt es Stoffe die künstlich (=nicht natürlich) sind. Auch werden im Westen Ordnung und Struktur („schnurgerade Straße“) aufgehoben, die Natur ist nun mal organisch und nicht klinisch rein. Daher auch die Traumbilder „Matsch und Lehm“, der Westen besteht aus „Erde“. Tausendfach belegen Träume diese Symbolzuordnung, man muss nur einmal darauf achten.

Der Träumer befindet sich seelisch also auf dem Weg in eine lebensbejahende Einstellung. Der Prozess ist jung („neue Straße“), die Idee sich zu verändern wird in diesem Traum ausprobiert.

Aber die Psyche ist nicht besonders mutig, wenn es um Veränderungen geht. Jahrelang etablierte und bewährte Strategien und Weltanschauungen zu verleugnen ist riskant. Immerhin verzichtet man damit auf ein Methodeninventar, mit dem man sein Leben gemeistert hat und das die Grundlage für die meisten Entscheidungen war. Diese Richtlinien infrage zu stellen birgt das Risiko eines (seelischen, beruflichen und/oder gesellschaftlichen) Absturzes. Es gibt also seelische Kräfte, die einer Reise in M entgegenwirken. Diese, am aktuellen Status festhaltenden Kräfte, zeigt der Traum auch:

Anfangs fühlt das Traum-Ich sich befreit. Abseits gesellschaftlicher Normen mit neuer Freiheit ausgestattet, genießt es das M-Lebensgefühl “... es macht sogar Spaß, wie der Wagen rutscht und schlittert.“ Doch dann kommt die Intervention der zur Ordnung rufenden Wertmaßstäbe: Der Wagen fliegt aus der Kurve - der weitere Vorstoß in M ist vorerst gestoppt. Folgerichtig taucht ein Polizist auf, er ist ein „Ordnungshüter“, eine Gewissensinstanz, die über die Einhaltung der gültigen Regeln wacht („schaffe, schaffe Häusle baue ...“)

Doch die seelische Ressource „Veränderung“ ist mit einiger Kraft ausgestattet: der Ordnungshüter führt den Ausreißer nicht ab, zurück ins P, er bringt nur noch ein lächerliches „Siehste!“ heraus.
Übersetzt: Das schlechte Gewissen, das sich einstellt sobald der Träumer gegen seine gültigen Wertmaßstäbe verstößt, dürfte nicht allzu groß sein. Daran sehen wir, dass der Klient bereits Fähigkeiten und seelische Strategien besitzt, mit denen er einer Überlastung aufgrund dysfunktionalen inneren P-Wahrheiten entgegenwirken kann. Durch die Analyse dieses Traumes haben wir Therapeuten jetzt die Möglichkeit diesen Prozess zu erkennen, zu benennen und zu unterstützen.

Die Traumtafel

Ein praxistaugliches Werkzeug ist die Traumtafel. Mir ihrer Hilfe können selbst verwirrende Träume entzerrt -, und die Struktur optisch dargestellt werden. Ihre Anwendung ist denkbar einfach: Alle M-Symbole werden links, alle P-Symbole werden rechts eingetragen. In die Mitte kommen die Aktivitäten des Traum-Ichs. Hier die Traumtafel des eben erzählten Traumes:

TraTa_Siehste.gif


Abb 2. Traumtafel des Traumes: "Siehste!"

Schon an der Dichte der Einträge erkennt man auf der Traumtafel das gültige Wertesystem. Anfangs ist der Träumer P-orientiert, dann der deutliche Wechsel nach links zur M-dominierten Lebenseinstellung. Der Stopper - hier ein Polizist - ist typisch und setzt wie ein Schlusspunkt dem Traum ein Ende.


Literatur
Dietmar Schlau: Die Bibel 2 oder Die Sprache der Träume Perlboot Verlag ISBN 978-3-943468-00-7


Internet


HPP Dietmar Schlau
Urachtalstrasse 2
78147 Vöhrenbach

Dietmar Schlau ist pschotherapeutischer Heilpraktiker. Er erforscht seit 30 Jahren die Traumsymbole und den Einsatz der Traumanalyse in der Psychotherapie. Neben Traumarbeit behandelt er seine Patienten mit Gesprächstherapie nach Rogers und Kurzzeittherapie nach Dr. Friedmann. Seit mehreren Jahren ist er Dozent an einer Heilpraktikerschule und freiberuflicher Seminarleiter für Traumanalyse und klientenzentrierte Gesprächstherapie.
 
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