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In den vergangenen Wochen habe ich mich zur Aktualisierung meines Lehrbuchs etwas mit der neuen Internationalen Klassifikation der Krankheiten ICD-11 beschäftigt, welche bald vielleicht schon in deutscher Übersetzung vorliegen wird. Ein anderes Thema, das ich wegen der Nähe zu den aus der Traumatherapie bekannten Ego-States sehr interessant finde, ist die in deutscher Sprache z.B. durch E. Roediger und G. Zarbock beschriebene Schematherapie. Kürzlich sind mir die englischsprachigen Artikel von Bo Bach mit David P. Bernstein (Schema therapy conceptualization of personality functioning and traits in ICD-11 and DSM-5) und mit Michael B. First (Application of the ICD-11 classification of personality disorders) begegnet, welche diese vielfältigen Themen zusammen bringen. Davon möchte ich hier einige Teile wiedergeben und meine persönlichen Gedanken dazu äußern.
Die Klassifikation der Persönlichkeitsstörungen im ICD-11 folgt den sogenannten alternativen Vorschlägen aus dem DSM-5. Bach und Bernstein sehen da diverse Parallelen, und sie haben Korrelationen zwischen diesen beiden Klassifikationen und dem Ansatz der Schematherapie ermittelt.
Im ICD-10 sind die Persönlichkeitsstörungen mit teilweise überlappenden Symptomen beschrieben. Das ist sowohl zum Lernen für die Prüfung als auch für die Diagnosestellung in der Praxis nicht immer einfach. Daher benutze ich für eine erste diagnostische Einschätzung das Persönlichkeits-Stil- und Störungsinventar (PSSI), wann immer ich eine Persönlichkeitsstörung oder interessante Persönlichkeitseigenschaften vermute, die sich als Ressourcen nutzen lassen.
Das ICD-11 beschreibt nun sechs grundlegende Wesenszüge kombiniert mit einer Quantifizierung als leichte, mittelgradige und schwere Persönlichkeitsstörung. Als internalisierte Wesenszüge werden laut Bach und Bernstein
Die Wesenszüge können laut Bach und First wie folgt verstanden werden:
Negative Affekte beschrieben die Tendenz ein breites Spektrum negativer Emotionen zu erleben, die in Häufigkeit und Intensität über in gegebenen Situationen erwartbare Maß hinaus gehen. Das betrifft Angst, Ärger, Sorgen, Furcht, Verletzlichkeit, Feindseligkeit, Scham, Depression, Pessimismus, Schuldgefühle, geringes Selbstwertgefühl und Misstrauen. Zum Beispiel brauchen Betroffene in Erregungszuständen äußere Unterstützung oder müssen die Situation verlassen, um sich zu beruhigen.
Soziale Distanzierung beinhält ein Vermeiden sozialer Situationen, Mangel an Freundschaften und die Vermeidung von Intimität. Emotionale Distanzierung bedeutet ein Reserviertsein, Zurückhaltung sowie eine begrenzte emotionale Wahrnehmung und ein eingeschränkter emotionaler Ausdruck. Betroffene suchen sich z.B. Stellen, in denen sie möglichst allein arbeiten können.
Zwanghaftigkeit beschreibt hier einen engen Fokus auf rigide Standards von Perfektion sowie Richtig oder Falsch, und dem Wunsch das eigene und fremdes Verhalten bzgl. dieser Standards zu kontrollieren. Der Perfektionismus betrifft Normen und Regeln, alle möglichen Details, Planungen, Ordnung und Reinlichkeit. Emotionale und Verhaltenseinschränkungen führen zu einer rigiden Kontrolle über den emotionalen Ausdruck, zu Sturheit, Riskovermeidung, Perseveration und Abwägen. Beispielsweise wiederholen oder überarbeiten Betroffene die Arbeit anderer um ihren inneren Standards zu genügen.
Dissoziales Verhalten heißt die Rechte anderer und deren Gefühle zu übergehen. Es umfasst Egoismus (Ansprüchlichkeit, ein Gefühl von Grandiosität, Erwartung von Bewunderung, die Suche nach Aufmerksamkeit) und einen Mangel an Empathie (Täuschung, Manipulation, Ausbeutung, Rücksichtslosigkeit, Boshaftigkeit, Kaltschnäuzigkeit und physische Aggression, manchmal mit einer Freude am Leid anderer). Betroffene können z.B. mit Ärger oder Verunglimpfung derer reagieren, die keine ausreichende Bewunderung zeigen.
Enthemmung zeigt sich in einer Tendenz übereilt auf unmittelbare externe oder interne Reize (Empfindungen, Emotionen und Gedanken) ohne Rücksicht auf mögliche negative Konsequenzen zu reagieren. Das umfasst Impulsivität, Ablenkbarkeit, Verantwortungslosigkeit, Rücksichts-und Sorglosigkeit und Planlosigkeit. Das führt beispielsweise zu rücksichtslosem Fahren, der Ausübung gefährlicher Sportarten, einer leichtfertigen Einnahme psychotroper Substanzen, Glückspiel und spontanen sexuellen Aktivitäten.
Das ICD-10 definiert die Borderline Persönlichkeitsstörung durch die Kriterien der Emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung:
Doch nun zur Schematherapie. Jeffrey Young, ein Schüler von Aaron Beck, entwickelte in den 1990er Jahren eine Erweiterung der kognitiven Verhaltenstherapie für diejenigen Patienten, welche nicht ausreichend von dieser etablierten Methode profitieren konnten (insbesondere solche mit Borderline und anderen Persönlichkeitsstörungen). Dabei integrierte er Elemente der Gestalttherapie, der Transaktionsanalyse sowie imaginative Techniken. Wie bei Ego-States werden Schemata als emotionale Aktivierungen im Zusammenhang mit der Befriedigung bzw. Frustration emotionaler Grundbedürfnisse verstanden. Bach und Bernstein beschreiben diese Schemata durch typische Selbstaussagen ("Glaubenssätze"):
Emotionale Vernachlässigung: Andere werden meine emotionalen Bedürfnisse nicht befriedigen.
Soziale Isolation/Entfremdung: Ich bin anders als andere und gehöre zu keiner Gruppe.
Emotionale Hemmung: Ich fühle mich emotional gehemmt und nicht in der Lage spontan zu handeln.
Mangelhaftigkeit/Scham: Ich bin wertlos, weil ich schlecht, untergeordnet oder nutzlos bin.
Misstrauen/Missbraucht: Andere verletzen, missbrauchen oder nutzen mich aus.
Pessimismus/Negativität: Ich erwarte, dass alles misslingt.
Abhängigkeit/Inkompetenz: Ich bin unfähig im Alltag ohne die Hilfe anderer.
Misserfolg: Ich bin schlecht in Schule und Beruf und werde kein erfolgreiches Leben haben.
Unterwerfung: Ich muss mich anderen unterordnen, um Befürchtungen zu vermeiden.
Verlassen/Instabilität: Wichtige Bezugspersonen werden oder haben mich emotional oder physisch verlassen.
Verstrickung: Ich muss andauernd mit mir nahestehenden anderen Menschen in Kontakt sein oder brauche deren Hilfe.
Verletzlichkeit: Es passieren schlimme Dinge, die ich nicht abwenden und mit denen ich nicht umgehen kann.
Aufopferung: Ich kümmere mich lieber um andere als um mich selbst.
Unerbittliche Ansprüche: Ich muss stets bestimmten Regeln zu Produktivität, Leistung oder Verhalten folgen.
Selbstbestrafung: Ich erwarte und verdiene negative Konsequenzen für meine Fehlerhaftigkeit.
Ansprüchlichkeit: Ich habe Anspruch auf spezielle Rechte, denn ich bin erhaben.
Zustimmung/Bewunderungssuche: Mein Wert und meine Bedeutung hängt von der positiven Bestätigung durch andere ab.
Mangelhafte Selbstkontrolle: Verzögerte Belohnung und Ausdauer fallen mir schwer.
Verfestigen sich diese Schemata neuronal zu erlebnis- und verhaltensbestimmenden Mustern, spricht man von sogenannten Modi. Ein solcher Modus kann situativ - vorübergehend - als Gesamtzustand begriffen werden. Die Person reagiert dann in diesem bestimmten Modus. Multiple Persönlichkeit könnte so als Wechsel zwischen isolierte Modi gedeutet werden. Nach Roedinger und Zarbock werden folgende Modi unterschieden, die wiederum als Wesenszüge gelten können, wenn sie dauerhaft auftreten:
Die Schematherapie benötigt im Wesentlichen drei Elemente: Eine spezifisch wirksame, belastbare Beziehung (Roedinger und Zarbock schreiben von „begrenzter elterlicher Fürsorge"), eine klare Fallkonzeption (aus dem psychopathologischen Befund, der Anamnese sowie aus Fragebögen und diagnostischen Imaginationsübungen) und erlebnisaktivierende Techniken mit Wurzeln in der Gestalttherapie und dem Psychodrama wie Imaginationsübungen und Modusdialoge auf mehreren Stühlen. Die Ausbildung in Schematherapie mit Zertifizierung durch die Internationale Schematherapiegesellschaft (ISST) erfordert eine Approbation als ärztlicher oder psychologischer Psychotherapeut. Roedinger und Zarbock meinen, dass trotz des eingängigen Modells und einer zunehmenden Manualisierung die Anwendung der Schematherapie sehr komplex bleibt und gute therapeutische Basisfertigkeiten verlangt. Dabei müssen Therapeuten auch die eigenen Schemata wie emotionale Vernachlässigung, unerbittliche Ansprüche und Aufopferung im Blick haben und ihre eigenen Bedürfnisse mit denen der Patienten ausbalancieren. Supervision scheint dabei sehr hilfreich zu sein. Mir gefällt dieser systemische und methodenübergreifende Ansatz, weil die Vorstellung innerer Teile, von den man sich auch distanzieren oder mit denen man verhandeln kann, für manche sicher Vorteile gegenüber einem eher abstrakten hedonistischen, normativen, empirischen oder logischen Disput haben dürfte.
Ergänzende Literatur: Sehr viel praktische Einsichten gibt Serge K. D. Sulz in seiner Arbeit "Die Schematherapie Jeffrey Youngs – ein integrativer Therapieansatz
zur Behandlung von Persönlichkeitsstörungen". Eine kritische Würdigung findet man in der Doktorarbeit von Sebastian Johannes Peter Weingartz: "Zur Gültigkeit des Schemamodells nach Jeffrey Young in deutschsprachigen Stichproben". Dort kann man auch die zugehörigen Fragebögen anschauen.
Die Klassifikation der Persönlichkeitsstörungen im ICD-11 folgt den sogenannten alternativen Vorschlägen aus dem DSM-5. Bach und Bernstein sehen da diverse Parallelen, und sie haben Korrelationen zwischen diesen beiden Klassifikationen und dem Ansatz der Schematherapie ermittelt.
Im ICD-10 sind die Persönlichkeitsstörungen mit teilweise überlappenden Symptomen beschrieben. Das ist sowohl zum Lernen für die Prüfung als auch für die Diagnosestellung in der Praxis nicht immer einfach. Daher benutze ich für eine erste diagnostische Einschätzung das Persönlichkeits-Stil- und Störungsinventar (PSSI), wann immer ich eine Persönlichkeitsstörung oder interessante Persönlichkeitseigenschaften vermute, die sich als Ressourcen nutzen lassen.
Das ICD-11 beschreibt nun sechs grundlegende Wesenszüge kombiniert mit einer Quantifizierung als leichte, mittelgradige und schwere Persönlichkeitsstörung. Als internalisierte Wesenszüge werden laut Bach und Bernstein
- Negative Affekte,
- Distanzierung (emotionale oder soziale) sowie
- Zwanghaftigkeit
- Dissoziales Verhalten,
- Enthemmung und das
- Borderline-Muster,
Die Wesenszüge können laut Bach und First wie folgt verstanden werden:
Negative Affekte beschrieben die Tendenz ein breites Spektrum negativer Emotionen zu erleben, die in Häufigkeit und Intensität über in gegebenen Situationen erwartbare Maß hinaus gehen. Das betrifft Angst, Ärger, Sorgen, Furcht, Verletzlichkeit, Feindseligkeit, Scham, Depression, Pessimismus, Schuldgefühle, geringes Selbstwertgefühl und Misstrauen. Zum Beispiel brauchen Betroffene in Erregungszuständen äußere Unterstützung oder müssen die Situation verlassen, um sich zu beruhigen.
Soziale Distanzierung beinhält ein Vermeiden sozialer Situationen, Mangel an Freundschaften und die Vermeidung von Intimität. Emotionale Distanzierung bedeutet ein Reserviertsein, Zurückhaltung sowie eine begrenzte emotionale Wahrnehmung und ein eingeschränkter emotionaler Ausdruck. Betroffene suchen sich z.B. Stellen, in denen sie möglichst allein arbeiten können.
Zwanghaftigkeit beschreibt hier einen engen Fokus auf rigide Standards von Perfektion sowie Richtig oder Falsch, und dem Wunsch das eigene und fremdes Verhalten bzgl. dieser Standards zu kontrollieren. Der Perfektionismus betrifft Normen und Regeln, alle möglichen Details, Planungen, Ordnung und Reinlichkeit. Emotionale und Verhaltenseinschränkungen führen zu einer rigiden Kontrolle über den emotionalen Ausdruck, zu Sturheit, Riskovermeidung, Perseveration und Abwägen. Beispielsweise wiederholen oder überarbeiten Betroffene die Arbeit anderer um ihren inneren Standards zu genügen.
Dissoziales Verhalten heißt die Rechte anderer und deren Gefühle zu übergehen. Es umfasst Egoismus (Ansprüchlichkeit, ein Gefühl von Grandiosität, Erwartung von Bewunderung, die Suche nach Aufmerksamkeit) und einen Mangel an Empathie (Täuschung, Manipulation, Ausbeutung, Rücksichtslosigkeit, Boshaftigkeit, Kaltschnäuzigkeit und physische Aggression, manchmal mit einer Freude am Leid anderer). Betroffene können z.B. mit Ärger oder Verunglimpfung derer reagieren, die keine ausreichende Bewunderung zeigen.
Enthemmung zeigt sich in einer Tendenz übereilt auf unmittelbare externe oder interne Reize (Empfindungen, Emotionen und Gedanken) ohne Rücksicht auf mögliche negative Konsequenzen zu reagieren. Das umfasst Impulsivität, Ablenkbarkeit, Verantwortungslosigkeit, Rücksichts-und Sorglosigkeit und Planlosigkeit. Das führt beispielsweise zu rücksichtslosem Fahren, der Ausübung gefährlicher Sportarten, einer leichtfertigen Einnahme psychotroper Substanzen, Glückspiel und spontanen sexuellen Aktivitäten.
Das ICD-10 definiert die Borderline Persönlichkeitsstörung durch die Kriterien der Emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung:
- Deutliche Tendenz, unerwartet und ohne Berücksichtigung der Konsequenzen zu handeln. > Enspricht Enthemmung wie oben beschrieben
- Deutliche Tendenz zu Streitereien und Konflikten mit anderen, vor allem dann, wenn impulsive Handlungen unterbunden oder getadelt werden.
>Eine Mischung von Enthemmung und negativen Affekten - Neigung zu Ausbrüchen von Wut oder Gewalt mit Unfähigkeit zur Kontrolle explosiven Verhaltens.
> Negative Affekte
- Schwierigkeiten in der Beibehaltung von Handlungen, die nicht unmittelbar belohnt werden.
> Enthemmung - Unbeständige und unberechenbare Stimmung.
> Enthemmung mit negativen Affekten
- Störungen und Unsicherheit bezüglich Selbstbild, Zielen und "inneren Präferenzen" (einschließlich sexueller).
> Emotionale Distanzierung
- Neigung, sich in intensive, aber instabile Beziehungen einzulassen, oft mit der Folge von emotionalen Krisen.
> Enthemmung
- Übertriebene Bemühungen, das Verlassenwerden zu vermeiden.
> Vielleicht auch eine Form von Zwanghaftigkeit
- Wiederholte Drohungen oder Handlungen mit Selbstbeschädigung.
> Dissoziales Verhalten
- Anhaltende Gefühle von Leere.
> Emotionale Distanzierung
- Übermäßiger Einsatz zur Vermeidung realen oder vermeintlichen Verlassenwerdens.
- Ein Muster instabiler und intensiver interpersonelller Beziehungen.
- Störungen der Identität, die sich deutlich und dauerhaft in einem instabilem Selbstbild oder Selbstgefühl äußern.
- Eine Tendenz zu Übersprungshandlungen in Zuständen starker negativer Affekte mit potentiell selbstverletzendem Verhalten.
- Wiederkehrende Episoden von Selbstverletzungen.
- Emotionale Instabilität bedingt durch auffällige Stimmungsschwankungen.
- Chronische Gefühle der inneren Leere.
- Unpassend intensiver Ärger oder Schwierigkeiten diesen zu kontrollieren.
- Vorübergehende dissoziative Symptome oder psychoseartige Erlebnisse in Situationen starker affektiver Erregung.
- Negative Affekte - leicht gestört
- Distanzierung - mittelgradig gestört (sozialer Rückzug)
- Zwanghaftigkeit - persönliche Schwierigkeiten ohne Krankheitswert
- Dissoziales Verhalten - ohne Befund
- Enthemmung - ohne Befund
- Borderline-Muster - ohne Befund
Doch nun zur Schematherapie. Jeffrey Young, ein Schüler von Aaron Beck, entwickelte in den 1990er Jahren eine Erweiterung der kognitiven Verhaltenstherapie für diejenigen Patienten, welche nicht ausreichend von dieser etablierten Methode profitieren konnten (insbesondere solche mit Borderline und anderen Persönlichkeitsstörungen). Dabei integrierte er Elemente der Gestalttherapie, der Transaktionsanalyse sowie imaginative Techniken. Wie bei Ego-States werden Schemata als emotionale Aktivierungen im Zusammenhang mit der Befriedigung bzw. Frustration emotionaler Grundbedürfnisse verstanden. Bach und Bernstein beschreiben diese Schemata durch typische Selbstaussagen ("Glaubenssätze"):
Emotionale Vernachlässigung: Andere werden meine emotionalen Bedürfnisse nicht befriedigen.
Soziale Isolation/Entfremdung: Ich bin anders als andere und gehöre zu keiner Gruppe.
Emotionale Hemmung: Ich fühle mich emotional gehemmt und nicht in der Lage spontan zu handeln.
Mangelhaftigkeit/Scham: Ich bin wertlos, weil ich schlecht, untergeordnet oder nutzlos bin.
Misstrauen/Missbraucht: Andere verletzen, missbrauchen oder nutzen mich aus.
Pessimismus/Negativität: Ich erwarte, dass alles misslingt.
Abhängigkeit/Inkompetenz: Ich bin unfähig im Alltag ohne die Hilfe anderer.
Misserfolg: Ich bin schlecht in Schule und Beruf und werde kein erfolgreiches Leben haben.
Unterwerfung: Ich muss mich anderen unterordnen, um Befürchtungen zu vermeiden.
Verlassen/Instabilität: Wichtige Bezugspersonen werden oder haben mich emotional oder physisch verlassen.
Verstrickung: Ich muss andauernd mit mir nahestehenden anderen Menschen in Kontakt sein oder brauche deren Hilfe.
Verletzlichkeit: Es passieren schlimme Dinge, die ich nicht abwenden und mit denen ich nicht umgehen kann.
Aufopferung: Ich kümmere mich lieber um andere als um mich selbst.
Unerbittliche Ansprüche: Ich muss stets bestimmten Regeln zu Produktivität, Leistung oder Verhalten folgen.
Selbstbestrafung: Ich erwarte und verdiene negative Konsequenzen für meine Fehlerhaftigkeit.
Ansprüchlichkeit: Ich habe Anspruch auf spezielle Rechte, denn ich bin erhaben.
Zustimmung/Bewunderungssuche: Mein Wert und meine Bedeutung hängt von der positiven Bestätigung durch andere ab.
Mangelhafte Selbstkontrolle: Verzögerte Belohnung und Ausdauer fallen mir schwer.
Verfestigen sich diese Schemata neuronal zu erlebnis- und verhaltensbestimmenden Mustern, spricht man von sogenannten Modi. Ein solcher Modus kann situativ - vorübergehend - als Gesamtzustand begriffen werden. Die Person reagiert dann in diesem bestimmten Modus. Multiple Persönlichkeit könnte so als Wechsel zwischen isolierte Modi gedeutet werden. Nach Roedinger und Zarbock werden folgende Modi unterschieden, die wiederum als Wesenszüge gelten können, wenn sie dauerhaft auftreten:
- Verletzbares Kind
- Ärgerliches Kind
- Wütendes Kind
- Impulsives Kind
- Undiszipliniertes Kind
- Glückliches Kind
- Unterordnender Modus (angepasster Unterwerfer)
- Distanzierter Selbstschutzmodus
- Distanzierter Selbstberuhiger
- Selbsterhöher/Wichtigtuer
- Pöbel- und Angreifermodus
- Strafende innere Eltern
- Fordernde innere Eltern
- Modus des gesunden Erwachsenen
Die Schematherapie benötigt im Wesentlichen drei Elemente: Eine spezifisch wirksame, belastbare Beziehung (Roedinger und Zarbock schreiben von „begrenzter elterlicher Fürsorge"), eine klare Fallkonzeption (aus dem psychopathologischen Befund, der Anamnese sowie aus Fragebögen und diagnostischen Imaginationsübungen) und erlebnisaktivierende Techniken mit Wurzeln in der Gestalttherapie und dem Psychodrama wie Imaginationsübungen und Modusdialoge auf mehreren Stühlen. Die Ausbildung in Schematherapie mit Zertifizierung durch die Internationale Schematherapiegesellschaft (ISST) erfordert eine Approbation als ärztlicher oder psychologischer Psychotherapeut. Roedinger und Zarbock meinen, dass trotz des eingängigen Modells und einer zunehmenden Manualisierung die Anwendung der Schematherapie sehr komplex bleibt und gute therapeutische Basisfertigkeiten verlangt. Dabei müssen Therapeuten auch die eigenen Schemata wie emotionale Vernachlässigung, unerbittliche Ansprüche und Aufopferung im Blick haben und ihre eigenen Bedürfnisse mit denen der Patienten ausbalancieren. Supervision scheint dabei sehr hilfreich zu sein. Mir gefällt dieser systemische und methodenübergreifende Ansatz, weil die Vorstellung innerer Teile, von den man sich auch distanzieren oder mit denen man verhandeln kann, für manche sicher Vorteile gegenüber einem eher abstrakten hedonistischen, normativen, empirischen oder logischen Disput haben dürfte.
Ergänzende Literatur: Sehr viel praktische Einsichten gibt Serge K. D. Sulz in seiner Arbeit "Die Schematherapie Jeffrey Youngs – ein integrativer Therapieansatz
zur Behandlung von Persönlichkeitsstörungen". Eine kritische Würdigung findet man in der Doktorarbeit von Sebastian Johannes Peter Weingartz: "Zur Gültigkeit des Schemamodells nach Jeffrey Young in deutschsprachigen Stichproben". Dort kann man auch die zugehörigen Fragebögen anschauen.
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